Alles Rund um synthetischen Diesel wie HVO100
Willkommen zu unserem Leitfaden rund um HVO100 und andere synthetische XTL‑Kraftstoffe. Wenn Sie Ihre Fahrzeugflotte emissionsärmer betreiben möchten, ohne Abstriche bei der Performance hinnehmen zu müssen, sind Sie hier genau richtig.
Unser Ziel ist es, Ihnen einen strukturierten Überblick über Begriffe und Eigenschaften alternativer Kraftstoffe zu verschaffen und somit Klarheit in das oft verwirrende Themenfeld zu bringen.
Unsere Themenblöcke im Überblick:
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Was ist HVO? – Definition und Abgrenzung zu klassischen Biokraftstoffen.
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XTL und eFuels im Vergleich – Unterschiede zwischen HVO, GTL, BTL und Power‑to‑Liquid.
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Technische Eigenschaften & Norm – Cetanzahl, Kälteverhalten, Lagerfähigkeit und Drop‑in‑Kompatibilität im Fokus.
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Rohstoffe und Herstellungsverfahren – Welche Ausgangsmaterialien zum Einsatz kommen und wie daraus Kraftstoff entsteht.
Was ist HVO?
HVO steht für Hydrotreated Vegetable Oil – auf Deutsch „hydriertes Pflanzenöl“. Dabei handelt es sich um einen paraffinischen Dieselkraftstoff, der zur Familie der XTL-Kraftstoffe gehört. Entwickelt wurde HVO als Alternative zu fossilem Diesel.
Durch ein spezielles Herstellungsverfahren (dazu später mehr) lassen sich erneuerbare Rest- und Abfallstoffe in einen transparenten, nahezu geruchlosen Kraftstoff umwandeln. Seine chemische Struktur ist bewusst so gestaltet, dass sie fossilem Diesel stark ähnelt. Das ermöglicht, HVO problemlos in bestehenden Dieselmotoren einzusetzen – ganz ohne technische Anpassungen.
Wichtig ist die klare Abgrenzung: HVO ist weder ein eFuel noch gleichzusetzen mit klassischem Biodiesel. eFuels entstehen aus erneuerbarem Strom, Wasserstoff und CO₂, während Biodiesel (FAME) auf einem anderen chemischen Verfahren basiert. HVO hingegen ist ein eigenständiger Kraftstofftyp innerhalb der XTL-Familie – mit spezifischen Eigenschaften, die fossilem Diesel am nächsten kommen.
Gerade diese Nähe in der chemischen Struktur verleiht HVO seine besonderen Eigenschaften:
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Drop‑in‑Kraftstoff: HVO kann in reiner Form (HVO100) oder als Beimischung zu fossilem Diesel getankt werden, ohne dass Motoren oder Tankinfrastruktur angepasst werden müssen.
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Hoher Qualitätsstandard: Als paraffinischer Dieselkraftstoff nach EN 15940 besitzt HVO eine hohe Cetanzahl, die für eine effiziente und saubere Verbrennung sorgt. Gleichzeitig ist er nahezu frei von Schwefel und aromatischen Verbindungen.
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Klimafreundliche Alternative: HVO wurde entwickelt, um eine klimafreundliche Alternative zu fossilem Diesel zu bieten. Der Kraftstoff lässt sich aus verschiedensten erneuerbaren Rest- und Abfallstoffen herstellen, die je nach Hersteller variieren. Entsprechend hängen die tatsächlichen Emissionsvorteile stark von den eingesetzten Rohstoffen ab. Laut dem aktuellen Evaluations- und Erfahrungsbericht der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) erzielt HVO100 in Deutschland eine Treibhausgasminderung von über 85 % gegenüber fossilem Diesel; je nach Rohstoffmix liegen die Einsparungen typischerweise zwischen 75 % und 90 %.
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Synonyme & Abgrenzung: Im deutschsprachigen Raum wird HVO auch „erneuerbarer Diesel“ oder „klimaneutraler Diesel“ genannt. Er ist Teil der XTL‑Kraftstoffe („X-to-Liquid“) und darf nicht mit eFuels oder GTL (Gas-to-Liquid) verwechselt werden, die auf völlig anderen Ausgangsmaterialien basieren.
Was sind XTL-Kraftstoffe?
Klassischerweise werden Kraftstoffe vorwiegend aus Erdöl produziert. Bei alternativen, paraffinischen Kraftstoffen (auch als XTL-Kraftstoffe bezeichnet) wird hingegen auf eine andere Rohstoffbasis zurückgegriffen. Das „X“ steht für eine beliebige Rohstoffvariable. Das „TL“ für „to-Liquid“. Der Rohstoff kann entweder einen „biogenen“ oder „synthetischen“ Herkunftscharakter aufweisen.
Biogene Kraftstoffe werden aus Pflanzen, Pflanzenresten und biogenen Abfällen oder Gülle gewonnen. Deshalb heißen sie auch Biokraftstoffe. Zu Ihnen gehören z. B. HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) oder auch BtL (Biomass-to-Liquid).
Synthetische Kraftstoffe hingegen werden chemisch aus unterschiedlichen Rohstoffquellen hergestellt. Sie können zum Beispiel aus Erdgas (GtL: Gas-to-Liquid) oder Strom (PtL: Power-to-Liquid) gewonnen werden.
Allen XTL‑Kraftstoffen im Endprodukt gemeinsam ist die paraffinische Struktur, die ihnen eine hohe Cetanzahl verleiht und sie als Drop‑in‑Alternativen zu fossilem Diesel nutzbar macht. Sie werden nach der Norm EN 15940 klassifiziert und an der Zapfsäule unter der Sammelbezeichnung „Paraffinischer Diesel“ geführt.

"X" = Variable (verwendeter Rohstoff)
Die Herstellung von XTL-Kraftstoffen umfasst ein breites Spektrum an verschiedenen Rohstoffen, das kontinuierlich erweitert wird. Grundsätzlich kann zwischen „biogenen“ (wie z.B. Pflanzenresten) und „synthetischen“ Rohstoffen (wie z.B. Strom) unterschieden werden. Darüber hinaus können diese Rohstoffe auch erneuerbar sein.

"T" = to (Umwandlung)
Das „to“ in XTL-Kraftstoffen bezieht sich auf das Herstellungsverfahren, bei dem der Rohstoff in alternativen Dieselkraftstoff umgewandelt wird. Je nach Art des verwendeten Rohstoffs variieren auch die Herstellungspfade. Derzeit werden hauptsächlich zwei Herstellungsverfahren in der Praxis angewendet: die Synthese und die Hydrierung. Diese Verfahren ermöglichen die effiziente Umwandlung von Rohstoffen in hochwertige XTL-Kraftstoffe.

"L" = liquid (in Kraftstoff)
Das „L“ in XTL-Kraftstoffen steht für den hergestellten Endkraftstoff. Trotz der Verwendung unterschiedlicher Rohstoffe und Herstellungspfade weisen Kraftstoffe, die zur Kategorie XTL gehören, grundlegende identische Eigenschaften auf. Es können jedoch Unterschiede in der Emissionsreduktion, Qualität und Kältebeständigkeit je nach Hersteller auftreten. Zu den XTL-Kraftstoffen gehören beispielsweise HVO und E-Fuels.
Die verschiedenen XTL-Kraftstoffe im Überblick
HVO
HVO wird durch eine katalytische Reaktion mit Wasserstoff (Hydrierung) in Kohlenwasserstoffe umgewandelt. Durch diesen Prozess werden die Pflanzenöle in ihren Eigenschaften an fossile Kraftstoffe angepasst. HVO kann dem Dieselkraftstoff beigemischt werden.

BtL
BtL wird durch die Vergasung der Biomasse, bei der das sogenannte Synthesegas erzeugt wird und der anschließenden Synthese mit dem Fischer-Tropsch-Verfahren hergestellt. BtL-Kraftstoffe sind Biokraftstoffe der zweiten Generation.

GtL
Aus Erdgas wird durch partielle Oxidation Synthesegas (CO und H2) hergestellt, dieses wird im Fischer-Tropsch-Verfahren zu flüssigen Kohlenwasserstoffen, einem „synthetischen Rohöl“, umgewandelt. Dieses synthetische Rohöl wird weiterverarbeitet und zu hochwertigen paraffinischen Produkten fraktioniert.

eFuels (PtL)
Ausgangsstoffe für PtL sind Wasser, Kohlenstoffdioxid und elektrische Energie, daraus wird Synthesegas erzeugt. Mit Fischer-Tropsch-Synthese werden langkettige, flüssige und feste Kohlenwasserstoffe erzeugt. Die Herstellung dieser Kraftstoffe befindet sich noch in der Entwicklungsphase, vereinzelt können bereits einige Projekte damit betrieben werden.

Was ist die DIN EN15940?
Die Qualitätsanforderungen für paraffinische Dieselkraftstoffe – zu denen auch alle XTL-Kraftstoffe wie HVO, GTL oder BTL gehören – sind in der europäischen Norm DIN EN 15940 festgelegt. Diese Norm definiert die physikalischen und chemischen Eigenschaften, die ein solcher Kraftstoff erfüllen muss, damit er sicher und zuverlässig in bestehenden Dieselmotoren eingesetzt werden kann.

Wesentliche Merkmale der Norm
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Chemische Struktur: XTL-Kraftstoffe sind paraffinischer Natur und damit fossilem Diesel in ihrer Zusammensetzung sehr ähnlich.
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Dichte: Die einzige relevante Abweichung zu fossilem Diesel liegt in der geringeren Dichte. Dieser Unterschied wirkt sich jedoch nicht auf die Motorenverträglichkeit oder die Verbrennungssicherheit aus.
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Weitere Anforderungen: Die Norm umfasst Grenzwerte für Cetanzahl, Schwefelgehalt, Viskosität, Schmierfähigkeit und Kaltfilterverstopfungspunkt (CFPP). Damit wird gewährleistet, dass paraffinischer Diesel unter allen klimatischen Bedingungen zuverlässig einsetzbar ist.
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Kennzeichnung: Kraftstoffe, die der Norm EN 15940 entsprechen, sind an Zapfsäulen in der EU als „Paraffinischer Diesel“ gekennzeichnet.
Bedeutung für Anwender
Die DIN EN 15940 schafft Rechtssicherheit für Hersteller, Tankstellen und Anwender. Sie stellt sicher, dass XTL-Kraftstoffe wie HVO in allen zugelassenen Motoren verwendet werden dürfen, ohne dass technische Anpassungen erforderlich sind. Damit wird HVO100 – genauso wie andere paraffinische Kraftstoffe – zu einem vollwertigen Ersatz für fossilen Diesel, der sofort in bestehender Infrastruktur eingesetzt werden kann.
| Parameter | Anforderung der EN 15940 | Bedeutung |
|---|---|---|
| Cetanzahl | ≥ 70 | Sorgt für eine sehr gute Zündwilligkeit und saubere Verbrennung. |
| Dichte bei 15 °C | 765–800 kg/m³ | Leicht geringer als bei fossilem Diesel, ohne Auswirkungen auf die Motorverträglichkeit. |
| Schwefelgehalt | ≤ 5 mg/kg | Praktisch schwefelfrei, senkt SO₂-Emissionen. |
| Aromatengehalt | ≤ 1 % | Sehr geringe Rußbildung im Vergleich zu fossilem Diesel. |
| Viskosität bei 40 °C | 2,0–4,5 mm²/s | Gewährleistet sichere Einspritzung und Schmierung. |
| CFPP (Kältefilterwert) | bis –22 °C (je nach Sorte) | Exzellente Kältebeständigkeit, auch für Winterbetrieb geeignet. |
| Oxidationsstabilität | ≤ 25 g/m³ | Lange Lagerfähigkeit ohne Qualitätsverlust. |
| Schmierfähigkeit (HFRR) | ≤ 400 µm | Garantiert Schutz der Einspritzsysteme. |
Wie funktioniert der Herstellungsprozess von HVO?
Die Herstellung von HVO100 erfolgt durch einen hydrierenden Raffinationsprozess, der die freien Fettsäuren der eingesetzten Rohstoffe in hochwertige, gesättigte Kohlenwasserstoffe umwandelt. Dieser Prozess beseitigt typische Schwachpunkte von herkömmlichem Biodiesel, wie die Oxidationsanfälligkeit und die Instabilität bei niedrigen Temperaturen. Obwohl es verschiedene technische Verfahren gibt, beruhen sie alle auf denselben chemischen Prinzipien.
Schritt 1: Auswahl und Vorbereitung der Rohstoffe
Die Herstellung beginnt mit der sorgfältigen Auswahl und Aufbereitung der erneuerbaren Rohstoffe. Dabei kommen vor allem gebrauchte Speiseöle, tierische Fette oder andere Abfall- und Reststoffe zum Einsatz. Ziel ist eine saubere Rohstoffbasis, die für den Hydrierungsprozess geeignet ist.
Schritt 2: Hydrierung der Fettsäuren
Im eigentlichen Raffinationsschritt werden die aufbereiteten Rohstoffe mit Wasserstoff und einem Katalysator behandelt. Hierbei werden die Doppelbindungen der Fettsäuremoleküle gesättigt. Das Ergebnis sind paraffinische Kohlenwasserstoffe, die chemisch sehr stabil und mit fossilem Diesel vergleichbar sind.
Schritt 3: Isomerisierung zur Optimierung der Eigenschaften
In vielen Produktionsverfahren wird zusätzlich eine Isomerisierung durchgeführt. Dieser Schritt ist nicht zwingend erforderlich, wird aber genutzt, um die Molekülstrukturen gezielt zu verändern. So lassen sich die Fließeigenschaften und die Kältestabilität verbessern, was für den ganzjährigen Einsatz von HVO100 entscheidend ist.
Schritt 4: Reinigung und Fraktionierung
Die erzeugten Kohlenwasserstoffe werden anschließend von Sauerstoff, Schwefel und Stickstoff befreit und in einem Destillationsprozess in verschiedene Fraktionen getrennt. Der Hauptstrom wird als hochwertiger HVO-Kraftstoff bereitgestellt. Gleichzeitig entstehen Nebenprodukte wie nachhaltige Wachse, Basischemikalien für Kunststoffe oder synthetisches Kerosin für die Luftfahrt.

Welche Rohstoffe werden für die HVO-Herstellung verwendet?
HVO-Kraftstoffe (Hydrotreated Vegetable Oil, HVO100) können aus einer Vielzahl erneuerbarer Rest- und Abfallstoffe hergestellt werden. Zu den bekanntesten Rohstoffquellen zählen heute gebrauchte Speiseöle (UCO), saure Öle aus der Raffination, POME (Palmöl-Mühlenabwasser) sowie Nebenprodukte der Pflanzenöl- und Zellstoffverarbeitung wie Tallöle. Diese Rohstoffe stehen nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und sind bereits als Rest- oder Abfallströme verfügbar. Im deutschen Markt stammen die meisten HVO-Produkte derzeit aus UCO, sauren Ölen und POME.
Forschung und neue Rohstoffquellen
Parallel dazu arbeiten Hersteller und Forschungseinrichtungen daran, die Rohstoffbasis für HVO weiter auszubauen. Im Fokus stehen unter anderem:
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Mikroalgen als photosynthetische Rohstoffquelle
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Camelina und andere spezialisierte Ölpflanzen, die auf marginalen Flächen angebaut werden können
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Kommunale Abfälle und organische Reststoffe aus der Kreislaufwirtschaft
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Lignozellulosische Abfälle aus Forst- und Landwirtschaft
Diese innovativen Quellen könnten die langfristige Verfügbarkeit von HVO entscheidend sichern und zugleich neue Nachhaltigkeitspotenziale erschließen.
Neste als größter HVO-Produzent weltweit
Der finnische Hersteller Neste ist derzeit der weltweit größte Produzent von HVO und setzt seit vielen Jahren konsequent auf Rest- und Abfallstoffe als Rohstoffbasis. Kurz- bis mittelfristig will das Unternehmen die Verfügbarkeit von Abfallölen weiter erhöhen und gleichzeitig den Rohstoffmix diversifizieren. Dazu zählen unter anderem brown grease – fetthaltige Rückstände aus der Abwasserreinigung – sowie neue Pflanzenöle aus regenerativer Landwirtschaft, die ohne zusätzlichen Landverbrauch produziert werden können.
Für das Jahr 2030 schätzt Neste das weltweite Potenzial geeigneter Abfall- und Restöle auf rund 40 Millionen Tonnen pro Jahr. Da der Bedarf an erneuerbaren Produkten mit den globalen Klimazielen weiterwächst, ist jedoch klar, dass zusätzliche Rohstoffquellen erschlossen werden müssen. Eine diversifizierte Rohstoffbasis erhöht die Versorgungssicherheit und reduziert zugleich den Wettbewerb um knappe Ressourcen.
Nachhaltigkeit sichern durch sorgfältige Rohstoffauswahl und Zertifizierung
Um sicherzustellen, dass HVO tatsächlich zu signifikanten Treibhausgas‑Reduktionen beiträgt, reicht es nicht, einfach „Abfallstoffe“ zu verwenden. Vielmehr muss der gesamte Lebenszyklus des Rohstoffs nachhaltig gestaltet und transparent dokumentiert werden. Dazu gehören:
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Strenge Lieferantenprüfung: Unternehmen müssen die Herkunft und Verarbeitung der Rohstoffe lückenlos nachweisen können.
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Zertifizierungssysteme: von der EU anerkannte Zertifizierungen wie ISCC oder REDcert stellen sicher, dass die Rohstoffe aus nachhaltigen Quellen stammen. Mehr dazu findet sich hier:
Insgesamt gilt: Die Vielfalt an Rohstoffen ist die große Stärke von HVO, sie verlangt aber verantwortungsvolle Auswahl und lückenlose Kontrolle. Nur wenn Herkunft, Verarbeitung und Lebenszyklus stimmen, wird aus „Rest – und Abfallstoffen“ ein wirklich klimafreundlicher Kraftstoff. Detaillierte Informationen hierzu finden Sie in unseren HVO Guidelines zur Nachhaltigkeitsbescheinigung.
Mehr Informationen zu XTL
Seit 2024 sind die ersten XTL-Kraftstoffe auch an deutschen Tankstellen erhältlich. Was bedeutet das? Sind XTL Kraftstoffe wirklich nachhaltig?
Auf unserer Informationsplattform xtl-tanken.de bieten wir einen Überblick im Dschungel der synthetischen Kraftstoffe.
